
Mein Weg auf dem Camino – eine Reise zu mir selbst 3

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buen camino 3

Spanien – 2006 – #00
Camino de Santiago – Teil 3: Orte, die dein Herz berühren
Der Camino ist mehr als nur ein Wanderweg. Er ist eine Kette von Momenten, die sich wie Perlen aneinanderreihen. Manche Perlen sind klein und unscheinbar, andere glänzen so hell, dass man sie nie wieder vergisst. In den Wochen, in denen ich unterwegs war, gab es drei Orte, die mein Herz berührt haben wie kaum etwas zuvor: das Cruz de Ferro, ein unscheinbares Kloster, und schließlich die Begegnung mit einem Symbol, das für immer bei mir bleiben sollte.
Das Kreuz der Lasten
Ich hatte schon viel vom Cruz de Ferro gehört, diesem schlichten Holzkreuz, das einsam auf einem Berg thront. Jeder Pilger bringt einen Stein dorthin, als Symbol für die Lasten, die er ablegen möchte. Manche tragen ihren Stein schon seit Wochen im Rucksack, andere finden ihn erst am Tag selbst am Wegesrand.
Als ich ankam, stockte mir der Atem. Vor mir türmte sich ein riesiger Berg aus Steinen auf, größer als ich mir je vorgestellt hatte. Jeder Stein stand für eine Sorge, eine Schuld, einen Schmerz, den ein Mensch hier zurückgelassen hatte. Es war, als würde ich auf einem kollektiven Berg aus Menschenschicksalen stehen.
Ich setzte mich hin. Der halbe Tag verging, während ich einfach nur schaute, weinte, nachdachte. Ich hatte meinen Stein in der Hand – nicht groß, nicht klein, aber schwer in seiner Bedeutung. All die Dinge, die mich innerlich niederdrückten, all die unausgesprochenen Zweifel und Ängste, flossen in diesen Stein.
Als ich ihn schließlich auf den Berg legte, war es, als würde ich selbst ein Stück leichter. Nicht, weil die Sorgen plötzlich weg waren, sondern weil ich sie teilen konnte. Mit all den anderen, die vor mir hier waren und nach mir noch kommen würden.
Ich ging weiter – und doch blieb ein Teil von mir dort. Beim Cruz de Ferro.
Ein Kloster voller Wärme
Ein paar Tage später führte der Weg in ein kleines Kloster. Von außen schlicht, fast unscheinbar. Doch drinnen herrschte eine Atmosphäre, die ich bis heute kaum in Worte fassen kann.
Die Nonnen hatten uns Pilger eingeladen, gemeinsam das Abendessen vorzubereiten. Wir schnitten Gemüse, rührten in großen Töpfen, lachten zusammen. Für einen Moment fühlte es sich an, als wären wir alle Teil einer großen Familie. Kein Pilger, keine Nonne war mehr fremd.
Am Vormittag hatten die Nonnen von einem Kind einen selbstgebastelten Stern bekommen – aus Papier, bunt, unvollkommen, und doch voller Liebe. Sie hatten beschlossen, ihn an einen besonderen Menschen weiterzugeben.
Und an diesem Abend legte mir eine Schwester den Stern in die Hand. „Für dich“, sagte sie nur.
Ich war sprachlos. Warum ich? Was hatte ich getan, dass gerade ich diesen Stern erhielt? Vielleicht war es einfach Zufall. Vielleicht war es Bestimmung. Aber in diesem Moment fühlte ich mich gesehen, erkannt, als wäre da jemand, der mir sagen wollte: Du bist wichtig.
Ich trug den Stern von da an im Rucksack, und jedes Mal, wenn ich ihn ansah, erinnerte er mich daran, dass ich mehr bin als meine Zweifel.
Der Camino als Spiegel
Zwischen diesen besonderen Orten lagen unzählige Kilometer. Tage, an denen die Sonne brannte und ich meine letzten Kräfte zusammenkratzen musste. Tage, an denen der Regen mir ins Gesicht schlug, als wolle er mich prüfen. Und immer wieder diese eine Frage: Warum mache ich das?
Die Antwort fand ich nicht in einem großen Aha-Moment. Sie kam leise, Stück für Stück, während ich weiterging. Der Camino spiegelte mir meine Schwächen, aber auch meine Stärke. Er zeigte mir, dass ich zusammenbrechen konnte – und trotzdem wieder aufstand.
Jeder Ort, jede Begegnung war ein Baustein in diesem Prozess. Das Cruz de Ferro hatte mir gezeigt, wie man loslässt. Das Kloster hatte mir gezeigt, wie man empfängt. Beides zusammen machte mir klar: Leben bedeutet nicht, alles allein zu tragen. Leben bedeutet, Ballast abzugeben und Geschenke anzunehmen.
Die Abende der Gemeinschaft
Einer der schönsten Aspekte des Camino waren die Abende in den Herbergen. Nach stundenlangen Märschen, nach Schmerz und Schweigen, trafen wir Pilger uns wieder. Um einen Tisch, bei Brot, Wein und einfachen Mahlzeiten.
Dort erzählten wir unsere Geschichten. Manche redeten viel, andere hörten lieber zu. Aber immer war da ein Gefühl von Gemeinschaft. Niemand musste sich verstellen. Wir waren alle gleich: verschwitzt, müde, verletzlich – und irgendwie stärker als am Morgen.
Oft dachte ich: Diese Abende sind wie ein kleines Stück Himmel. Und vielleicht ist genau das der Kern des Camino – dass man mitten im Chaos, mitten in der Erschöpfung, Momente findet, die einem zeigen: Du bist nicht allein.
Ein Stern für den Weg
Der Stern aus Papier wurde für mich zum Symbol meiner Pilgerreise. Er war so unscheinbar – leicht, fragil, fast lächerlich in seiner Einfachheit. Und doch war er stärker als mein 14-Kilo-Rucksack.
Denn er erinnerte mich an etwas, das ich unterwegs lernen musste: Nicht die großen Dinge tragen dich, sondern die kleinen. Ein freundliches Wort, ein gemeinsames Lachen, ein Stern aus Papier.
Immer wieder fragte ich mich: Wofür gehe ich eigentlich? Suche ich Antworten? Oder suche ich nur den Mut, die Fragen zu stellen? Vielleicht beides. Aber je weiter ich ging, desto klarer wurde mir: Ich finde nicht den Sinn des Lebens – ich finde mich.
Am Ende dieses Teils
Als ich diesen Abschnitt meiner Reise hinter mir hatte, wusste ich: Der Camino ist mehr als ein Weg von A nach B. Er ist ein Raum, in dem Wunder geschehen dürfen. Manche sind laut, wie der Berg aus Steinen am Cruz de Ferro. Andere sind leise, wie ein Stern aus Papier, der dir zufliegt.
Und ich begann zu begreifen, dass all diese Orte nicht einfach nur Stationen waren. Sie waren Spiegel meines Inneren. Jeder Ort hatte mir ein Stück von mir selbst gezeigt – und ich war dankbar, auch wenn es manchmal weh tat.
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