
Mein Weg auf dem Camino – eine Reise zu mir selbst 4

Mein Weg auf dem Camino – eine Reise zu mir selbst 4 .de
buen camino 4

Spanien – 2006 – #00
Camino de Santiago – Teil 4: Ankunft und Abschied
Der Camino ist eine Reise, die kein klassisches Ende kennt. Ja, es gibt ein Ziel – Santiago de Compostela, die Kathedrale, die heiligen Reliquien. Aber jeder, der den Weg gegangen ist, weiß: Es ist nicht vorbei, wenn du ankommst. Im Gegenteil – manchmal beginnt er erst dort.
Santiago – die Umarmung des Weges
Nach Wochen voller Schmerzen, Begegnungen, Lachen, Tränen und unendlich vielen Schritten stand ich schließlich vor Santiago. Schon von Weitem sah ich die Türme der Kathedrale in den Himmel ragen. Jeder Schritt dorthin fühlte sich wie ein Herzschlag an.
Als ich den Platz vor der Kathedrale betrat, überkam mich eine Welle von Emotionen. Ich sah Gesichter, die ich längst verloren geglaubt hatte – Pilger, die ich irgendwo auf dem Weg getroffen hatte und von denen ich dachte, ich würde sie nie wiedersehen. Und doch waren sie da. Wir liefen uns in die Arme, wir weinten, wir lachten, wir hielten uns fest, als müssten wir beweisen, dass wir es wirklich geschafft hatten.
In der Kathedrale sangen wir zusammen, Stimmen aus aller Welt, vereint in einem Chor aus Dankbarkeit und Demut. Ich erinnere mich an die Gänsehaut, die sich auf meinem Rücken ausbreitete, als die Töne durch das Kirchenschiff hallten. Es war, als hätte der Weg selbst mitgesungen.
Der letzte Abschnitt – weiter nach Finisterra
Doch für mich war es damit nicht vorbei. Ich wollte weiter. Zum Ende der Welt – nach Finisterra. Ein Ort, an dem das Land aufhört und das Meer beginnt.
Ab Santiago veränderte sich etwas. Die Kilometer wurden rückwärts gezählt: von 100 auf 0. Jeder Schritt fühlte sich an wie das langsame Ausatmen nach einer langen, intensiven Reise. 99, 80, 50 – die Zahlen auf den Markierungen wurden kleiner, und mit jeder Zahl wurde mir bewusster: Es geht wirklich zu Ende.
Aber dieser Weg war anders. Er war ruhiger, fast wie ein Nachklang. Keine großen Prüfungen mehr, keine dramatischen Einbrüche – nur das stille Begreifen, dass alles, was kommen musste, bereits geschehen war.
Kilometer 0 – das Ende der Welt
Und dann war ich da. Kilometer 0. Ein einfacher Stein, der das Ende markiert. Doch der Ort selbst – eine Steilküste, die ins Meer hinausläuft – nahm mir den Atem. Vor mir lag nichts als Ozean. Ein Panorama, das mich gleichzeitig klein und unendlich groß fühlen ließ.
Viele Pilger verbrennen dort ein Kleidungsstück oder lassen etwas zurück, um den Abschluss ihrer Reise zu symbolisieren. Ich stand nur da, schaute in die Weite und wusste: Hier endet der Weg. Aber eigentlich auch nicht. Denn das Meer erzählte mir etwas anderes: Es gibt kein Ende, nur neue Richtungen.
Der Wind blies mir ins Gesicht, salzig, rau, ehrlich. Ich ließ meine Gedanken ziehen wie Möwen, die sich in die Lüfte erhoben. Alles, was ich erlebt hatte – die Schmerzen, die Begegnungen, die Zeichen, die Wunder – sie alle waren jetzt Teil von mir.
Was der Camino mit mir gemacht hat
Der Jakobsweg hat mich verändert. Er hat mich an meine körperlichen Grenzen gebracht, aber noch viel mehr an meine emotionalen. Ich habe gelernt, loszulassen – Ballast im Rucksack, Ballast im Herzen. Ich habe gelernt, Hilfe anzunehmen – von Fremden, die für Stunden oder Tage zu Gefährten wurden. Ich habe gelernt, dass jeder Mensch, dem ich begegne, eine Aufgabe hat.
Vor allem aber habe ich gelernt, dass ich stärker bin, als ich dachte. Nicht unverwundbar, nicht unermüdlich, aber stark genug, um wieder aufzustehen, wenn ich gefallen bin.
Der Camino hat mir nicht die eine große Antwort geschenkt. Aber er hat mir gezeigt, dass ich mit den Fragen leben kann – und dass genau darin die Freiheit liegt.
Der Abschied
Am Tag, nachdem ich Kilometer 0 erreicht hatte, blieb ich lange am Meer sitzen. Ich wusste: Ab hier geht es nur noch zurück. Der Weg war zu Ende – äußerlich. Aber innerlich würde er nie enden.
Ich schloss die Augen, spürte die Sonne, hörte das Rauschen der Wellen. Zum ersten Mal seit langer Zeit fühlte ich mich wirklich im Reinen mit mir selbst.
Und als ich schließlich aufstand, meinen letzten Blick auf die weite See warf und mich zum Rückweg wandte, wusste ich: Der Camino wird mich nie wieder loslassen. Er ist Teil von mir geworden.
Mein Camino
Der Jakobsweg ist nicht einfach nur eine Pilgerreise. Er ist eine Schule des Lebens. Er zeigt dir deine Schwächen, aber auch deine Stärke. Er schenkt dir Begegnungen, die du nie vergisst, und Momente, die dein Herz für immer tragen wird.
Ich bin losgegangen, weil ich nicht in eine Krise hineinfallen wollte. Ich kam zurück mit etwas viel Größerem: mit Vertrauen. Vertrauen in den Weg, Vertrauen in die Menschen, Vertrauen in mich selbst.
Und wenn mich heute jemand fragt, warum man den Camino gehen sollte, dann antworte ich:
Weil du dich selbst findest – Schritt für Schritt, Stein für Stein, Umarmung für Umarmung. Und weil du am Ende nicht nur ankommst, sondern auch neu beginnst.
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